Das Hellfest ist eines der größeren Festivals für Metal, Punk und Hardcore in allen Variationen und Spielrichtungen in Europa. In den letzten 15 Jahren hat es sich neben anderen Veranstaltungen dieser Art wie z. B. dem Graspop Metal Meeting (Belgien), Copenhell (Dänemark), dem Ressurection Fest (Spanien) oder auch dem Sweden Rock (Schweden) etabliert, wenn nicht sogar an die Spitze geschoben. Ort des Geschehens ist Clisson in der Nähe von Nante in Frankreich.
Ich selbst bin auf das französische Festival 2019 durch das Line-up aufmerksam geworden und durch ARTE, die einige Auftritt übertragen haben. Informationen zum Festival gab es aber nur sehr spärlich. Das Einzige, was ich mitbekommen habe, war dann der rasante Ticketverkauf für die Ausgabe 2020. Keine Chance, ich habe es aber auch eher nur nebenher verfolgt. Mittlerweile sind die Organisatoren auf den Social-Media-Kanälen recht präsent und auch die Webseite biete deutlich mehr Informationen.
Aufgrund der Pandemie musste die 2020er-Aushabe dann mehrmals verschoben werden und die Veranstalter haben sich für das 15. Jubiläum einen Leckerbissen ausgedacht: Eine zweite Version auf dem darauffolgenden Wochenende der Ursprungsausgabe, mit einem zum größten Teil unterschiedlichen Line-up: Scorpions, Nine Inch Nails, Guns´n`Roses und Metallica wurden als Headliner in den Ring geworfen und auch der Rest des Line-ups war mit Leckerbissen übersäht. Damit war klar: Dieses Mal nichts halbherziges mehr, Tickets müssen her.
Ticket-Vorverkauf
Zum Zeitpunkt des VVK ist typischerweise noch keine Band angekündigt. Das Risiko eines Fehlkaufs ist aber äußerst gering, da einerseits eine Versicherung zur Ticketrückgabe angeboten wird (ca. 10 €/Ticket) und es andererseits eine offizielle Ticketbörse gibt. Das Festival ist - in der Zeit in der ich es beobachtet habe - immer innerhalb weniger Stunden ausverkauft gewesen und die Nachfrage auf der Ticketbörse groß. Somit bekommt man das Ticket für den Fall der Fälle sicher weiterverkauft.
Man muss definitiv zum Zeitpunkt des VVK-Starts am Rechner sitzen. Pro Person werden zwei Tickets verkauft, was m. E. eine absolut faire Sache ist gemessen an der großen Nachfrage. Prinzipiell gilt das für das ganze VVK-System. Es gibt eine Warteschlange, die auch funktioniert und man hat immer die volle Transparenz, an welchem Platz man sich befindet (hello, Glastonbury-System?). Für die Ausgabe 2022 haben wir versucht sechs Karten zu bekommen und sind im Abstand weniger Sekunden in der Warteschlange aufgeschlagen: die haben allerdings den Unterschied gemacht und wir haben nur zwei Tickets ergattern können! Für 2023 war es etwas entspannter und alle Reisewilligen konnten sich mit Tickets versorgen. Die Karten für 2023 haben 330 € für ein 4-Tages-Ticket (incl. Camping/Parken) gekostet, was heute und bei dem gebotenen Line-up in Ordnung geht.
Anreise
Die Anreise ist prinzipiell recht unbeschwert und vor Ort gut organisiert. Wir sind mit dem Auto angereist, da wir gerne etwas mehr Gepäck dabei haben, um auf alle Wetterkapriolen vorbereitet zu sein. Bei der Anreise haben wir in Le Mans übernachtet, von wo es noch gute zwei Stunden bis nach Clisson waren. Somit war es kein Problem, pünktlich zur Öffnung des Geländes um 10 Uhr vor Ort zu sein. Die gut 1100 km gehen gerade noch so für die Heimreise an einem Tag.
Im Vorfeld gab es auf der Homepage die entsprechenden Karten mit Google-Daten für die beiden Parkplätze. Einzig die Beschilderung begann erst in Clisson. Wir haben den Parkplatz gewählt, von dem man in gut 15 min. bequem zu Fuß das Gelände erreichen konnte, zum anderen Parkplatz pendeln Shuttlebusse. Die Anzahl der Busse war am ersten Wochenende laut Twitter etwas knapp bemessen und für das zweite Wochenende ist die Kapazität aufgestockt worden. Zwischen dem ersten und zweiten Wochenende wurden auch noch weitere Felder „gemietet“, um die Kapazität zu erhöhen. Konsequente und Schnelle Umsetzung von Feedback!
Wer per Flugzeug anreist, kommt über Nantes (inklusive „Welcome Hellbangers“ Beflaggung am Flughafen!) und dann weiter per Zug nach Clisson.
Per Zug ist dann eine weitere Option. Unsere Zeltnachbarn - auch aus Deutschland - haben ihr Auto in Straßburg geparkt und sind von dort in fünf Stunden mit dem Zug nach Clisson gefahren, was sicherlich eine gute Option ist. Oder von verschiedenen französischen Städten mit dem „Crazy Train“.Gelände
Ein Traum. Alleine der Eingangsbereich mit den als Effektpedal getarnten Infoständen, einer großen Statue und Logo ist ein erster richtiger Hingucker, wenn man sich dem Gelände nähert. Nach dem Eingang befindet man sich direkt auf dem Hellsquare, der als Verbindungsstück zwischen den verschiedenen Bereichen des Geländes dient: Camping-Bereich, Metal Market und dem eigentlichen Festival-Bereich. Zudem beherbergt der Hellsquare z. B. eine Bar, einen Tattoo-Shop und eine ESP-Dependance versteckt hinter (künstlichen) Häuserfasaden. Der Metal Market dient in der Nacht mit einer kleinen Bühne als Party Area und man kommt dort auch zu den Duschen. Zudem ist er Durchgang zum Campingplatz.
Der Konzertbereich wird das ganze Jahr über als Park genutzt und ist dementsprechend wunderbar angelegt. Die großen Wege sind befestigt und in der Mitte des Geländes gibt es ein kleines Wäldchen. Zwei der Food-Corners sind mit gepflasterten Wegen und Kunstrasenflächen ausgestattet, was sich gerade bei Regen als extrem nützlich erweist. Dazu kommen noch fest verankerte Sitzplätze und - voilá - kann man sehr festivaluntypisch, aber sehr gepflegt essen.
Das Gelände zu den drei großen Bühnen ist leicht abfallend und direkt vor den Bühnen ist der Beriech gepflastert. Auf dem Pflaster gibt es Markierungen, wo der Moshpit abzuhalten ist und in welche Richtung der Circle Pit zu laufen hat. Auch das erweist sich generell, aber vor allem bei schlechten Wetterbedingungen als extrem wertvoll. Drei weitere Bühnen befinden sich in großen Zelten, die nahe der beiden Hauptbühnen stehen. Alles in allem sind die Laufweg sehr kurz und man kommt in gut fünf Minuten von Bühnenbereich zu Bühnenbereich. Der Nachteil dabei: Es gibt eigentlich keinen Ort auf dem Gelände, der nicht von Musik beschalt ist und im schlimmsten Falle überschneidet sich die Musik von mehreren Bühnen. Ruhe muss man woanders finden.Auf dem ganzen Gelände sind zudem Installationen verteilt bzw. auch die Getränkestände befinden sich in großen, aus rostigem Metal geschweißten Gebäuden die Abends stimmungsvoll beleuchtet sind und ein bisschen Feuerspektakel am Start haben. Auch das trägt zu einer wunderbaren Atmosphäre während der Konzerte und vor allem in der Nacht bei.
Die 60.000 Zuschauer füllen aber den Konzertbereich nahezu vollständig aus, was dann gegen Abend zu einer hohen Packungsdichte führt, weil eben die Bühnen auch relativ nah beieinander sind. Wir haben aber zu keinem Zeitpunkt ein großes Gedränge erlebt und die Zuschauer haben sich sehr diszipliniert verhalten, auch wenn es auf den Wegen mal zu einem Stau kam. Ich würde sagen, dass man - ausgenommen die beiden Hauptbühnen - bis zu den letzten Bands immer noch gut in den vorderen Bereich kommt, wenn man kurz nach dem Ende der vorherigen Band da ist. Bei den beiden Hauptbühnen gilt das eher nicht und man muss sichndeutlich früher vor der Bühne positionieren, wenn man die Headliner aus dem vorderen Bereich sehen möchte. Bei keiner der Bühnen gab es Wellenbrecher.
Camping
Wir haben uns - aufgrund der guten Erfahrung beim Glastonbury-Festival, letztlich aber vollkommen ungerechtfertigt - auf dem Easy Camping-Bereich eingemietet. Der Vorverkauf für die bereits aufgebauten Zelte/Tippis findet im April statt. Auch hier heißt es schnell sein.
Wir hatten ein Cardboard-Tent für zwei Personen. Also ein Zelt aus Pappe, das auf einer Palette steht. Genau. Ich werde nicht den Blick von unserem „Concierge“ vergessen, als er mich und vor allem unser Gepäck gesehen hat. Um es kurz zu machen: Wer mit absolut kleinem Gepäck reist und < 1,75 cm misst, für den mag es ok sein. Für alle anderen oder diejenigen mit Bedürfnis nach etwas Komfort: Finger weg. Die Tipis sahen ganz gut aus und es schien genügend Platz für die entsprechende Personenzahl vorhanden zu sein.
Prinzipiell bietet das Easy Camping m. E. wenig Annehmlichkeiten, die die Preise rechtfertigen. Die Duschen waren kalt und die Toiletten Kompost-Toiletten. Es gibt zwar eine Chill-Area, wo es früh Kaffee und Croissants gibt. Das ist aber nichts, was es nicht auch auf dem Gelände zu finden gibt. Der Service zur Ankunft war aber wirklich sehr gut und freundlich.
Generell gibt es Camping-Platz Nachts keine Parties und m. E. ist es extrem ruhig und gutes Schlafen ist möglich. Die Wiesen sind auch eben und man rutscht im Zelt nicht von einer Seite auf die andere. Zudem gibt es eine große Anzahl an Duschen (zu Stoßzeiten gibt es natürlich trotzdem Schlangen) und - sehr wichtig - ordentliche Spühltoilletten, die immer mit Papier bestückt und gereinigt sind.
2023 werden wir auf alle Fälle mit unseren Zelten auf den normalen Campingplatz gehen.
Atmosphäre und Organisation
In beiden Belangen hebt sich das Festival m. E. von anderen Großveranstaltungen deutlich ab, vor allem wenn man es mit dem deutschen Großfestival „Rock im Park“ vergleicht.
Wir haben die vier Tage Festival über eine absolut freundliche Atmosphäre erlebt. Das fängt bei den Helfern auf dem Gelände und an den Verkaufsständen an und hört beim Publikum auf. Die Getränkestände sind so zahlreich auf dem Gelände verteilt und die Helfer dort so auf Zack, dass es nie zu großen Warteschlangen kommt, was genau so für die Essenstände gilt. Einzig die Festival-Merch-Stände waren quasi rund um die Uhr von den Fans belagert, so dass die Wartezeit nahe einer Stunde lag. Und gekauft wurde, als ob der Kleiderschrank komplett neu aufgefüllt werden muss.
Die Sanitäranlagen waren die ganze Zeit über in einem guten bis sehr guten Zustand, was man so auf einem deutschen Festival/Konzert wohl nicht sehen würde. Zudem gibt es direkt auf dem Gelände einen großen Bereich mit ordentlichen Spühltoilleten, wo stets ein Helfer Papier aufgefüllt hat.
Was uns aber am Meisten beeindruckt hat, war die Sauberkeit. Praktisch niemand schmeißt seinen Müll einfach auf den Boden. Mülleimer sind zahlreich vorhanden und werden gefühlt im 30 min Takt geleert. Am Ende des Tages sieht das Gelände nahezu so aus, wie zu Beginn. Auch das trägt zur großartigen Atmosphäre bei!
Essen und Getränke
In Bezug auf Essen und Getränke bleiben keine Wünsche offen. Neben den typischen nicht-alkoholischen Getränken gibt es verschiedenen Biersorten (inkl. Cider!) und auch einen Weinstand mit Weinen aus der Region. Ein normales Pint hat 6 € gekostet, was ein normaler Festival-Preis ist. Dafür war es immer frisch gezapft und extrem kühl, was auch keine Selbstverständlichkeit auf einem Festival ist!
Typisch französisch (Achtung Klischee) ist das Essen ebenfalls überragend gut für ein Festival. Sowohl außerhalb des Eigentlichen Festivalbereichs, als auch innerhalb des Geländes gibt es alle Variationen von klassischen und weniger klassischen (Festival) Gerichten vieler Nationalitäten. Und keines war schlecht! Wer Lust auf Muscheln und einen Becher Wein hat, bitte sehr. Preislich hat sich das Kulinarische zwischen 7 € und 14 € abgespielt.
Line-up
Das Line-up war 2022 (am zweiten Wochenende) ein Traum und auch 2023 lässt es für mich nahezu keine Wünsche offen. Vergleicht man es mit anderen Metal-Festivals in Europa, bietet das Hellfest gefühlt alle Bands zusammen. Auch in den Jahren vor der Pandemie waren die Bands m. E. eine besondere Mischung, das Festival aber auf drei Tage begrenzt.
Ein klare Empfehlung
Aus meiner Sicht, ist das Hellfest eines der lohnendsten Festivals und Erfahrungen. Es ist bzgl. Publikum, Organisation, Gelände und dem Line-up nahezu perfekt. Die Anreise und damit der Aufwand ist aber - für uns, die aus dem Süden Deutschlands kommen - nicht zu unterschätzen. Für ein 3-Tages-Festival würden wir das eher nicht machen (es sei denn, man hängt noch ein paar Tage am nahen Atlantik dran). Aber zum Glück sind es in 2023 auch wieder vier Festival-Tage, insofern: See you in Clisson, Hellbangers!
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